Werkserie Blau-Licht, 2013

Tusche, Kreide oder Graphit bekommen bei der Anwendung auf Transparentpapier eine andere Qualität. Die milchige Transparenz des Bildträgers lässt die Farben auf der Rückseite der Blätter durchschimmern und werfen zudem Schatten auf die rückwärtige Wand, wenn sie ohne Rahmen frei vor der Wand hängen.

Gleichzeitig zieht sich das Blatt durch die Feuchtigkeit der Tusche oder Farbe beim Trocknungsprozess an einigen Stellen zusammen. Dadurch entsteht eine gewisse Plastizität der Zeichnung, die in gewolltem Kontrast zur abstrakten Bildsprache der Arbeiten steht.

Mirabelle Korfsmeier (2012)


Tuschpinselzeichnungen (Ausstellung 2010, Denzlinger Kulturkreis)

Die japanische Tuschmalerei gründet auf chinesischem Vorbild und kam mit dem Zen-Buddhismus im 13. Jahrhundert nach Japan. Erst 200 Jahre später aber entwickelte sich ein genuin japanischer Stil.

Wie dem Zen-Buddhismus ist der Tuschpinselzeichnung ein stark meditatives Moment eigen, das trachtet, die Dinge in ihrem inneren Wesen zu erkennen. Anders als die Kalligraphie nutzt sie die Möglichkeit, durch Verdünnung die Tusche in verschiedenen Helligkeitswerten malerisch einzusetzen – man sieht es an Mirabelle Korfsmeiers Blättern sehr gut. Neben scharf konturierten Linien gibt es verschwimmende Zonen in denen sich der Farbwert der Tusche lichtet, bis nicht mehr bleibt als fast immaterielle Schatten.

Die Bögen aus Japan mitgebracht, entsprechen zwar im Maß japanischen Rollbildern, was aber auf ihnen entsteht ist ausgelöst durch westlich geprägtes Empfinden, bei Besuchen im Land, also durch das zeitlich begrenzte Erleben einer Nicht-Japanerin, der sowohl die Bedrängung als auch die stets gewahrte Form des Miteinander deutlich ins Auge springt, besonders in ihrem kaum erträglichen Kontrast.

Und sie erfasst das Wesen mit dem Pinsel: Die Enge, das Gedränge der Megacity Tokio mit ihrem Tempo und ihren über acht Millionen Einwohnern schlägt sich da nieder. Wie im Taumel schlingen sich die Linien ineinander, dick, schwer und schwarz oder dünn und schneidend, oder weich und grau, an den Rändern und Enden pelzig ausfransend.

Wie eine Explosion wirkt manches Blatt. Das Gefühl der Bedrängtheit, des Getrieben-Seins führt den Pinsel oft so rasant, dass es in allen Richtungen spritzt. Andere Blätter zeigen ruhige, harmonische Bewegungen. Der große Kampferbaum einer Tempelanlage etwa, der sich standfest, ruhend, über das Blatt erstreckt. Dicht und dunkel, kein Vergleich mit dem Kirschblütenschaum traditioneller Rollbilder, aber wie diese zugleich ewig gültig, ein Zeichen der Vergänglichkeit menschlichen Seins.

Ulrike Düwell (2010)